Wir sind alle nur Menschen, die sich manchmal nicht nur professionell sondern auch „menschlich“ fühlen und geben. Und wenn dann hinter der gestrengen Brille, dem weissen Kittel oder dem fleissigen Tippen etwas hervorblitzt, ist nicht nur unser Humor sondern auch unser Scharfsinn und unsere Wachsamkeit gefragt, damit der Endtext seinen Adressaten in perfekter Form erreicht. So müssen wir dann im Berufsalltag manchmal über uns selbst lachen, über unsere fleissigen Bienchen schmunzeln, über einen Diktanten staunen oder über Patienten nachdenken. Das tut unserer Aufmerksamkeit gut und lässt uns voll bei der Sache sein.
Wir sind hellwach und möchten Ihnen an dieser Stelle Gelegenheit geben, unsere Aufmerksamkeit zu verfolgen und herzlich mit uns zu lachen, wenn wir jeden Ersten des Monats eine neue Trouvaille an dieser Stelle veröffentlichen (selbstverständlich anonymisiert). Unsere langjährige Erfahrung in diesem Berufszweig hat uns eine lange Liste von Delikatessen beschert, viel Spass.
01.01.2021:
Im allgemeinen Stress am Ende eines langen Arbeitstages entstand diese unfreiwillige Wortschöpfung aus einer Schädelkalottenfraktur und sorgte für allgemeine Erheiterung.
01.02.2021:
Es ist nicht immer ganz einfach für Jobanfänger, den Diktanten zu verstehen, vor allem wenn schnell gesprochen wird, womöglich noch neben einer Lärmquelle. So entstanden aus den Hirnnervenaustrittspunkten ratzfatz plötzlich Hirnnervenausrisspunkte.
01.03.2021:
Die Händigkeit ist je nach Fachgebiet ein wichtiger Bestandteil im Status. Allerdings ist die Vorstellung von zwei rechten Händen sicher besser als zwei linken.
01.04.2021:
Nur schon die Vorstellung allein, wie es möglich sein könnte, im Stehen zu sitzen, ist absurd genug, um die Lacher auf seiner Seite zu haben. Ich kann im Stehen auch schlecht sitzen – irgendwie.
01.05.2021:
„Stand und Gang: Unterberger-Tretversuch regelrecht, Romberg negativ, Gang unauffällig, Fersen-/Fussspitzen-Gang beidseits gut möglich. Strickgang etwas unsicher.“ Der Gang zum Strick dürfte wohl so manchem schwer fallen.
01.06.2021:
Bei Begutachtungen werden die Exploranden auch nach ihren Zukunftsabsichten befragt. Da drohte eine betroffene Frau dem Gutachter: „Sie werde ins Fernsehen gehen, wenn sie jetzt keine IV bekomme.“
01.07.2021:
Wem der Blick fürs Ganze noch fehlt, macht aus dem Diktat "Wach Komma, Patient..." ganz schnell einen Wachkomapatienten, was einen gesunden Ausdruck rasch ins Gegenteil verkehrt.
01.08.2021:
Störungen können mannigfaltig auftreten bei Patienten und die Beschreibung dessen ist für Laien nicht immer so ganz einfach zu verstehen: Bei „leichten sprachlichen Gedächtnisstörungen“ kommt man schnell ins Grübeln.
01.09.2021:
Gutachter müssen bei ihren Explorationen stets auch abtasten, was die versicherte Person noch kann: „Nach Freizeitbeschäftigungen gefragt, berichtet die Explorandin, das Leben sei ihr Hobby.“
01.10.2021:
Was hier nun tatsächlich gebrochen ist, war schwer sich vorzustellen. Ein erschreckter Hummer? Ein Hummus? Eine Heuschrecke? Auf alle Fälle haben wir uns sehr amüsiert über die „Humurusschreck-Fraktur“. Gemeint gewesen wäre: Humerus-Schrägfraktur.
01.11.2021:
Die Arbeitsfähigkeit ist ein zentraler Punkt in vielen Gutachten. Was hier allerdings angestrebt wird, ist vermutlich eher das Gegenteil: „…mit der angestrebten vollen Arbeitsunfähigkeit“...
01.12.2021:
Jeder Patient hat eine eigene Meinung, die allerdings nicht immer so überaus deutlich zu Tage tritt wie in diesem Falle: „… betonte, dass er als „krank“ bezeichnet werden wolle und jeder Arzt, der eine andere Meinung habe, sei „besoffen“.“
01.01.2022:
Rationierungsmassnahmen, Massenentlassungen, Kostendruck, Fusionen – sie sind leider immer wieder in aller Munde, erfüllen uns mit Schrecken oder auch mit Anteilnahme. Aber so drastisch hat es bisher noch keiner ausgedrückt: „Tätigkeit: Mitarbeiterentsorgung.“ Gemeint gewesen wäre: Tätigkeit als Mitarbeiter Entsorgung - in einem Schlachtbetrieb.
01.02.2022:
Die Zukunftsvorstellungen sind ein Punkt in IV-Gutachten, die mit jedem Exploranden zu klären sind: „Auf seine Zukunftsvorstellungen angesprochen, ist der Explorand einen Moment perplex. Dann sagt er, er habe nichts geplant. Er wisse nicht, was morgen sei. Sein Leben, wie es gelaufen sei – ihm sei nichts anderes übrig geblieben, als sich aufzuhängen. Die SUVA hätte ihn hängen lassen.“
01.03.2022:
Psychiater haben unter anderem natürlich auch die Aufgabe abzutasten, wie ihre Patienten die Welt sehen. Dabei entstehen zuweilen Entgegnungen, die einer gewissen Komik nicht entbehren: „Die Frage nach Fehlwahrnehmungen wird bejaht, er fühle sich durch seine Frau verfolgt.“
01.04.2022:
Erst auf den zweiten Blick wirklich zu entdecken, aber nichts desto Trotz ein wirklich grosser Unterschied: „Bei einer Körpergrösse von 1.68 cm…“. Ausserhalb des Mutterleibes eine sehr unwahrscheinliche Körpergrösse.
01.05.2022:
Einer „unserer“ Ärzte arbeitet seine Diktatpendenzen gern weitab von allem auf der Alm auf. Und es ist dann immer nett von ihm zu hören, dass er sich für mögliche „Umgebungsgeräusche“ entschuldige, da er sich gerade draussen aufhalte. So kommen wir immer mal wieder in den Genuss von Kuhglocken mit einem Hauch Ferienfeeling.
01.06.2022:
„Auf ihre Stimmung angesprochen, berichtet die Explorandin, dass sie bereits seit vielen Jahren an Depressionen leide. Seit xxxx hätten diese jedoch deutlich zugenommen, deswegen habe sie sich bei ihrem Hausarzt gemeldet, weil sie das Gefühl gehabt habe, sich umbringen zu müssen. Seither sei sie in regelmässiger Behandlung bei einer Psychiaterin und habe mit ihr vereinbart, zunächst einige Zeit abzuwarten, dann könne sie sich immer noch umbringen.“
01.07.2022:
Schmerzen von Patienten spielen im Ärztealltag eine grosse Rolle und sind natürlich oft Bestandteil von medizinischen Diktaten. Allerdings stellte uns der „Musculus Genitalienschmerz“ vor grosse Herausfoderungen unserer Vorstellungskraft. Gemeint gewesen wäre muskuloskelettaler Schmerz.
01.08.2022:
Ärzte sind vielbeschäftigte Leute und die Diktate drücken, sodass teils jede Gelegenheit zum ungestörten Diktat ergriffen werden muss. So sind wir nicht nur in den Genuss des vertrauten „Ping“ als Anschnallzeichen gekommen sondern auch schon mit dem Klatschen der Passagiere in eine Landung mitgenommen worden.
01.09.2022:
„Nach dem Gespräch ist er völlig erschöpft, fragt nach kulinarischer Stärkungsmöglichkeit.“
01.10.2022:
Der Schreck bei jeder Behandlung von hartnäckigen Flecken in der Wäsche: Der Ausdruck „fleckmonös“ könnte in der Waschmittelwerbung Karriere machen. Gemeint gewesen wäre phlegmonös.
01.11.2022:
So ein Stau ist eine ärgerliche und lästige Angelegenheit. Man sitzt im Auto, klopft mit den Fingern nervös aufs Lenkrad und hofft, dass es endlich weitergehen möge. Wenn sich allerdings ein Unfall ereignet hat, ist oft für lange Zeit Hopfen und Malz verloren, so ertönte im Diktat zuweilen ärgerliches Hupen und Autotürengeknalle, sodass wir auch schon mit dem aus dem Stau diktierenden Arzt mitleiden konnten.
01.12.2022:
„Bei Vorhandensein von lumbalen Schmerzepisoden, könne sich der Explorand nur kleinschrittig und unter Abstützen auf die Ehefrau bewegen. Derartige Schmerzen könnten auch ausgelöst werden durch unangenehme Telefonate.“
01.01.2023:
So zu zittern, dass man sich etwas dabei bricht, ist doch eher nicht zu erwarten oder ist es eher ein Bruch, der zittert? Auf jeden Fall hat uns die Stilblüte „Tremorfraktur“ zu Heiterkeitsausbrüchen hinreissen lassen. Gemeint gewesen wäre Femurfraktur.
01.02.2023:
Zeit ist ein rares Gut. Eine Tatsache, die für Ärzte ganz besonders gilt. Wer könnte es also dem Diktanten verübeln, wenn er seinen Multitasking-Fokus auf Diktieren und Z’Vieri gleichzeitig legt?
01.03.2023:
Oft ist der berufliche Werdegang Bestandteil von Gutachten für die IV. Dort allerdings den Satz, „nach Migration in die Schweiz Tätlichkeit als Verfahrenstechniker“ zu finden, führte zu mehreren Lachern in unserer Qualitätskontrolle. Hat er die anderen in der Verfahrenstechnik vermöbelt? Oder kämpft er gegen die Technik bei Verfahren? Gemeint gewesen wäre natürlich nach Migration in die Schweiz, Tätigkeit als Verfahrenstechniker.
01.04.2023:
„Miktion: Keine.“ Wie das? Dieser Patient hat echt ein Problem.
01.05.2023:
"Es wurden zweimal 150 mg Cordarone Boli gegeben, was keine Konversation erbrachte."
01.06.2023:
"Ultraschal normal." Hält sicher schön warm so ein Ultraschal.
01.07.2023:
"War in den Läden und wollte. Hatte heute eine Kollegin besucht. Eine Kollegin der Kollegin hat sie runtergemacht. Und Ihre Kollegin hat nur zugehört." Ja, so Schafe wollen schnell mal, da muss man nur Glennkill gelesen haben.
01.08.2023:
"Der Patient läuft auf die Notfallstation, zieht sich komplett aus und desinfiziert sich den ganzen Körper." Oha, hier werden keine halben Sachen gemacht.
01.09.2023:
"Präoperativ nimmt der Patient zur Prämedikation ein Temesta ein, wobei er aber dieses akzidentell mit dem Blister verschluckt." Wie kriegt man bloss eine Tablette samt Plastikverpackung runter?
01.10.2023:
"Ist nach Alkoholkonsum von 1 Flasche Weisswein aus dem Auto gestiegen. Dies sei ein soziales Problem, da sein Umfeld (der Patient ist Priester) dies nicht tolerieren würde." Hier braucht es eigentlich keinen weiteren Kommentar mehr! Ohne Worte.
01.11.2023:
"Schlafanzugs-EEG ambulant" Im Schlafanzug macht ein EEG erst so richtig Spass! Hier wäre „Schlafentzugs-EEG“ gemeint gewesen.
01.12.2023:
"Sie präsentierte sich desorientiert, delirant und adäquat." Spannende Mischung, auch wenn man sich unter adäquat doch eher was anderes vorzustellen beliebt. Aber vielleicht gilt das dort ja als normal?
01.01.2024:
"Wir stellten die Indikation zur Kalottenplastik mit Palacos, weil die Schädelkalotte beim Transport verlorenging." Unschön!
01.02.2024:
"Spontan-antibakterielle Peritonitis"
01.03.2024:
"Traumatische cochleo-vestibuläre Läsion durch Zahnstocher rechts." Aua, sich mit dem Zahnstocher im Ohr zu kratzen ist eins, sich dabei aber das Ohr weiter innen zu zerlöchern ist sicher weniger witzig.
01.04.2024:
"Die Patientin hatte auch Otalgien sowie einen metallischen Geschmack im Ohr." Ja, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. So ein metallischer Geschmack im Ohr ist nichts jedermanns Sache. Oder ist hier eher die Vorliebe für Blasmusik gemeint? Natürlich wäre hier der metallische Geschmack im Mund gemeint gewesen.
01.05.2024:
"Der Nerv recurrens links lässt sich demolieren." Wenn man sich Mühe gibt, schafft man alles. Das sollte eigentlich „stimulieren“ heissen.
01.06.2024:
"Der Patient berichtet über Angstattacken seit dem Mittag, da er durch das rechte Nasenloch keine Luft bekomme." Oha, wirklich tragisch. Das mag man sich kaum vorzustellen wagen.
01.07.2024:
"Sie haben un freundlicherweise Herr XXX zur probatorischen Lumbalpunktion bei Vd. a. Hydrocephalus malresorptivus zugewiesen." Wirklich unfreundlich so eine Briefansprache, das muss ich schon sagen.
01.08.2024:
"Bekannte Kopfschmerz-Erkrankung - alle paar Jahre Kopfschmerzen." Schrecklich, hatte noch keiner von uns, oder?
01.09.2024:
„Sie habe im Balkonkrieg massiv Gewicht verloren.“ Ja, so ein Balkonkrieg kann schon sehr aufreibend sein. Diese mühsamen Nachbarn – das schlägt auf den Appetit. Hier wäre natürlich „Balkankrieg“ gemeint gewesen.
01.10.2024:
„Grundsätzlich befühle er seine Migros-Tüte jetzt nur noch halb…“ Wie fühlt sich so eine Migros-Tüte an? Das habe ich mir eigentlich noch nie so richtig überlegt. Vielleicht wäre das ja lohnenswert, wer weiss? Der Diktant hat allerdings „grundsätzlich befülle er seine Migros-Tüte jetzt nur noch halb“, gemeint.
01.11.2024:
„Verlässt das Haus nur in Bekleidung.“ Spannend ist hier nicht die Vorstellung der Bekleidung, sondern eher das Gegenteil: ohne Bekleidung? Dies hätte natürlich „in Begleitung“ heissen sollen.
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